Arbeitssucht – Die Grenze zwischen Leidenschaft und Überlastung
Arbeitssucht – ein Begriff, der oft missverstanden wird. Gemeint ist nicht nur ein übermäßiges Arbeiten, sondern eine zwanghafte Besessenheit von der Arbeit, die die Grenze zwischen Leidenschaft und Überlastung verschwimmen lässt. Dabei haben arbeitssüchtige Menschen oft Schwierigkeiten, abzuschalten und Ruhe zu finden, selbst wenn sie physisch oder emotional erschöpft sind. Diese übermäßige und oft zwanghafte Hingabe an die beruflichen Pflichten kann jedoch sowohl zu beruflichen als auch persönlichen Krisen führen. Kennst du das?
Was ist Arbeitssucht?
Menschen, die in einen zwanghaften Arbeitswahn geraten, werden oft als Workaholics bezeichnet (Schaufeli, Taris & Van Rhenen, 2008). Dabei geht Arbeitssucht als Konstrukt ursprünglich analog auf den Begriff Alkoholismus zurück und wurde zunächst als „zwanghaftes und unkontrollierbares Bedürfnis, ununterbrochen zu arbeiten“ definiert (Oates, 1971). Aktuellere Definitionen beschreiben Arbeitssucht als ein kontinuierliches Muster langer Arbeitszeiten, Arbeit über die Erwartungen hinaus und eine alles verzehrende Arbeitsbesessenheit (Griffiths, 2011; Ng, Sorensen & Feldman, 2007). Dabei wird Arbeitssucht inzwischen eher als stabile persönliche Verhaltenstendenz angesehen, welche sich jedoch durch die Möglichkeiten neuer technologischer Innovationen (Laptops, Smartphones, Internet) durchaus noch verstärken kann. Gerade weil Arbeit einen wesentlichen Teil unseres Lebens ausmacht – uns finanzielle Freiheit sowie ein Gefühl von Sinnhaftigkeit und Identität gibt –, ist es nicht verwunderlich, wenn du in einer Welt, in der im Berufsleben immer öfter eine ununterbrochene Verfügbarkeit erwartet wird, in eine Spirale exzessiver Arbeitsgewohnheiten gerätst und somit aus deinem inneren Gleichgewicht kommst.
Die Gründe hinter Arbeitssucht und psychische Auswirkungen
Die Ursachen für Arbeitssucht sind vielschichtig. Perfektionismus, der Wunsch nach Anerkennung, der Drang, sich selbst zu beweisen, oder auch externe Erwartungen können dazu führen, dass jemand in einen ungesunden Arbeitsrhythmus verfällt. Oft spielen auch die inneren Antreiber eine Rolle. Diese sind tief verwurzelte Glaubenssätze, die unser Denken, Fühlen und Handeln maßgeblich beeinflussen. Sie äußern sich besonders deutlich in stressigen Situationen und können sogar der Auslöser für Stress sein. Diese inneren Antreiber können zu einem kritischen Arbeitsverhalten führen und sind oft verantwortlich für ein stressvoll empfundenes Leben.
Arbeitssucht kann sowohl im Berufs- als auch im Privatleben schwerwiegende Folgen haben. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und persönlichem Leben zu finden, um das Wohlbefinden auf beiden Ebenen zu erhalten. So kann es insbesondere im Berufsleben paradoxerweise zu einer verminderten Leistungsfähigkeit kommen. Denn eine hohe Arbeitsmoral und das ständige Streben nach Perfektionismus können langfristig zu Erschöpfung führen und sich somit negativ auf Leistungsfähigkeit und Arbeitsqualität auswirken. Chronischer Stress und Überarbeitung können zudem zu körperlichen und psychischen Gesundheitsproblemen führen, die sich in Form von Burnout, Angstzuständen, Depressionen, Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und anderen Beschwerden manifestieren können (vgl. z. B. Griffiths, 2011; Oates, 1971; Robinson, 2013; Schaufeli, Shimazu & Taris, 2009). Im Privatleben führt die mangelnde Work-Life-Balance unter anderem zu Problemen im zwischenmenschlichen Bereich, da Betroffene ihre Arbeit über persönliche Beziehungen stellen. Zeitmangel und emotionale Distanz können zu Konflikten, Vernachlässigung von Familienangehörigen und Freunden und somit zu Beziehungsproblemen führen. Auch persönliche Bedürfnisse werden zurückgestellt. Zeit für Erholung, Hobbys, soziale Interaktion und Selbstpflege wird vernachlässigt, was das individuelle Wohlbefinden zusätzlich beeinträchtigt. Das Fehlen von Ausgleich zwischen Arbeit und persönlichen Interessen kann schließlich zu einem Gefühl der Leere oder Unzufriedenheit führen. Die Auswirkungen eines zwanghaften Arbeitsverhaltens sind daher nicht zu unterschätzen.
Psychologische Modelle und deren Bezug zur Arbeitssucht
Die Konzeption der inneren Antreiber ist Teil der Transaktionsanalyse (TA), die in den 1950er und 60er Jahren von Eric Berne und Thomas Harris begründet wurde. Die TA beschäftigt sich mit psychischen Krankheiten, Störungen in der Kommunikation und der Kooperation zwischen Menschen. Sie analysiert die inneren Haltungen, genannt „Script“, und die Handlungen im Umgang miteinander, die als „Transaktionen“ bezeichnet werden. 1977 entwickelte Taibi Kahler in Anknüpfung an die Transaktionsanalyse das Modell der inneren Antreiber. Seine Beobachtungen zeigten, dass Menschen bestimmte Verhaltensmuster gemeinsam haben und zu bestimmten Verhaltensweisen neigen. Diese Verhaltensweisen fasste er in fünf Typologien zusammen – die inneren Antreiber. Im Alltag zeigen sich diese inneren Antreiber oft in Form bestimmter Verhaltensweisen, die uns vertraut erscheinen mögen, jedoch oft anders benannt werden. Zum Beispiel kennen wir vielleicht jemanden, der immer besonders stark erscheint („Sei stark!“), oder eine Person, die sich stets nach Perfektion sehnt („Sei perfekt!“). Diese Verhaltensweisen entspringen den jeweiligen inneren Antreibern und werden anderen gegenüber deutlich.
Die fünf inneren Antreiber lauten:
- Sei stark!
- Sei perfekt!
- Mach es allen recht!
- Streng dich an!
- Mach schnell!
Obwohl jeder Antreiber eine positive Eigenschaft repräsentiert – wie Harmoniebedürfnis, Fleiß, Perfektionismus, Mühe und Schnelligkeit –, kann eine Überbetonung dieser Eigenschaften zu Stress führen. Der zu viel betonte Antreiber wird verstärkt, was in einer Abwärtsspirale enden kann und im schlimmsten Fall zu einem Burn-out führt. Es ist daher wichtig, die inneren Antreiber zu erkennen, um gesundes Stressmanagement zu betreiben und resilient mit ihnen umzugehen.
Das Transaktionale Stressmodell von Lazarus (1984) betont im Übrigen, wie Stress durch die individuelle Wahrnehmung und Bewertung einer Situation entsteht. Demnach resultiert Arbeitssucht nicht selten durch eine dauerhaft als belastend empfundene Arbeitssituation.
Literaturverzeichnis:
Griffiths, M. D. (2011). Workaholism: A 21st century addiction. The Psychologist: Bulletin of the British Psychological Society, 24, 740–744.
Kahler, T. (1974). The Miniscript. Transactional Analysis Journal, 4(1), 26–42.
Lazarus, R. S., & Folkman, S. (1984). Stress, Appraisal, and Coping. Springer.
Ng, T. W. H., Sorensen, K. L., & Feldman, D. C. (2007). Dimensions, antecedents, and consequences of workaholism: A conceptual integration and extension. Journal of Organizational Behavior, 28, 111–136.
Oates, W. (1971). Confessions of a workaholic: The facts about work addiction. World.
Robinson, B. E. (2013). Chained to the desk: A guidebook for workaholics, their partners and children, and the clinicians who treat them (3rd ed.). New York University Press.
Schaufeli, W. B., Taris, T. W., & Van Rhenen, W. (2008). Workaholism, burnout, and work engagement: Three of a kind or three different kinds of employee well-being? Applied Psychology: An International Review, 57, 173–203.
Schaufeli, W. B., Shimazu, A., & Taris, T. W. (2009). Being driven to work excessively hard. The evaluation of a two-factor measure of workaholism in the Netherlands and Japan. Cross-Cultural Research, 43, 320–348.